Von Arbeitsatmosphäre über Kommunikation bis zu Interaktionen im Team: Die Employee Experience ist komplex – und will richtig verstanden werden. Ein Leitfaden für HR-Profis.
„Die Mitarbeiter:innen sind ja schon da, Kund:innen müssen wir hingegen jeden Tag aufs Neue begeistern und gewinnen!“ Hand aufs Herz, haben Sie diesen Satz innerlich schon einmal gesagt? Oder von anderen gehört? Dann wird es höchste Zeit, diesen Gedanken zu entstauben oder ihn am besten gleich zu den Akten zu legen. Denn: Gute Kunden:innen-Orientierung erfordert genauso gute Mitarbeiter:innen-Orientierung.
Wie produktiv, effizient und engagiert die Angestellten bei der Arbeit sind, wirkt sich direkt auf viele wichtige Aspekte aus – von der Arbeitsplatzkultur über den Gewinn bis hin zum Wachstum. Doch woher wissen Unternehmen, ob die sogenannte Employee Experience (EX) positiv oder negativ ist? Gibt es eine Möglichkeit, diese zu messen und zu bewerten? Und vor allem: Wie kann Ihr Unternehmen seine Bemühungen um die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen verbessern? Hier die Antworten.
Was bedeutet Employee Experience? Definition
Employee Experience bedeutet frei übersetzt „Erlebnis von Mitarbeiter:innen“. Dieses Erlebnis ist die Summe von Momenten, Interaktionen und Eindrücken, die Angestellte innerhalb eines bestimmten Zeitraumes im Unternehmen beeinflussen. Von dem Vorstellungsgespräch über Onboarding-Prozesse, tägliche To-dos und Routinen bis hin zum Kündigungsgespräch: All diese und noch mehr Faktoren charakterisieren Employee Experience, weil sie sich unmittelbar und nachhaltig auf die Unternehmenskultur auswirken.
Die zahlreichen Faktoren, die das Arbeitserlebnis ausmachen, benötigen ständige Aufmerksamkeit und gegebenenfalls Optimierung, damit sie sich in eine positive Richtung entwickeln und langfristig auf den Unternehmenserfolg einzahlen. Denn: Das erklärte Ziel von Employee Experience ist es, ein möglichst inspirierendes Arbeitserlebnis für Mitarbeiter:innen zu schaffen, welches sich unmittelbar auf deren Engagement für das Unternehmen auswirkt.
Kein X-Faktor: Eine bekannte Strategie neu gedacht
In anderen Bereichen ist „Experience“, also die Erfahrung, längst ein treibendes Konzept: Man denke nur an UX (User Experience) oder CX (Customer Experience). Auch wenn alle das „X“ im Namen tragen, so sind die Begriffe doch zu unterscheiden, denn sie zielen alle auf etwas anderes ab. Was diese Konzepte aber vereint: Sie alle fokussieren das große Ganze. Employee Experience bedeutet …
- zu sehen, was Angestellte benötigen und sie entsprechend zu unterstützen, sodass ihre Bedürfnisse erfüllt werden,
- sich zu bemühen, das gesamte Arbeitsumfeld zu verstehen und positiv zu lenken,
- Führungskräfte, HR-Verantwortliche oder Manager:innen in die Lage zu versetzen, die Mitarbeiter:innen zu motivieren, mehr Engagement zu etablieren und positive Gefühle gegenüber dem Unternehmen hervorzurufen. Das soll wiederum zu Kreativität, Produktivität und emotional getriebener Bindung führen.
Employee Experience richtet dabei den Einfluss auf das gesamte zugrunde liegende System – im Gegensatz zu vorschnellen Maßnahmen, welche die Zufriedenheit nur temporär steigern, oder auch konträr zu den jährlichen Feedbackgesprächen, die nur zur Behandlung spezifischer Symptome geführt werden. Mit anderen Worten: Employee Experience kümmert sich nicht nur um das Symptom, sondern ganz effektiv um das, was im Kern kränkelt.
Employee Experience ist nicht zu verwechseln mit …
- Mitarbeiter:innenzufriedenheit. Viele Aspekte stellen eine:n Angestellte:n zufrieden, wie beispielsweise ein gutes Gehalt oder attraktive Benefits, aber sie führen weder zu einer rundum positiven Employee Experience noch zur gesteigerten Produktivität.
- einer zu komplexen HR-Taktik. Viele Unternehmen haben Employee Experience als ein Schwerpunktthema von HR eingerichtet. Die Schaffung einer großartigen Employee Experience bezieht Akteure aus dem gesamten Unternehmen mit ein – von den Kommunikationsspezialisten, über IT-Fachkräfte bis hin zur Führungsebene.
- einem Überangebot von Zusatzleistungen. Ein Gameroom, Massageangebote oder auch Fitness-Optionen können für Dankbarkeit sorgen. Benefits sind aber kein Alleinstellungsmerkmal von Employee Experience-Maßnahmen, vielmehr sind solche Zusatzleistungen ein angenehmes Add-on.
- Mitarbeiter:innen wie Kund:innen zu behandeln. Zu bedenken gilt, dass Ihr Team andere Bedürfnisse hat und dadurch mitunter andere Motivationshebel zu betätigen sind.
- Mitarbeiter:innen-Engagement. Klingt ähnlich, sind aber zwei Paar Schuhe. Der Unterschied: Employee Experience spricht alle Elemente an, die dazu beitragen, dass Mitarbeiter:innen motiviert und engagiert sind.
Warum die Erfahrung von Mitarbeiter:innen so wichtig ist
Wer sich als Arbeitgeber ausschließlich dem Thema Mitarbeiter:innen-Engagement widmet, wird schnell feststellen, dass sich das Stimmungsbild nur temporär bessert, und Angestellte lediglich für einen kleinen Zeitraum motivierter sind. Kurzum: Die Maßnahmen zahlen nicht dauerhaft auf die Unternehmenskultur ein. Auf der Suche nach einer langfristigen, nachhaltigen Lösung verspricht das Konzept von Employee Experience mehr Erfolg.
Eine Studie von Deloitte belegt, dass sich mehr und mehr Arbeitgeber diesem Trend widmen. Acht von zehn Führungskräften schätzen die Rolle von Employee Experience hoch ein. 38 Prozent bewerten sie als wichtig, 42 Prozent halten das Konzept sogar für sehr wichtig. Trotz dieser nachgewiesenen Aufmerksamkeit wird seitens der Unternehmen immer noch nicht genug getan: Nur 20 Prozent der Arbeitgeber sind der Meinung, dass ihr Unternehmen genug unternimmt, um eine bessere und von Erfolg geprägte Employee Experience zu erreichen.
Fakten-Check: Darum profitieren Unternehmen
Bei Employee Experience geht es um weitaus mehr als People Pleasing. Unternehmen, die auf die Erfahrung der Mitarbeiter:innen Wert legen und ihr Bestreben in die Tat umsetzen, können vielfach profitieren. Das zeigen einige Beispiele:
- Harvard Business Review-Autor Jacob Morgen fand in seiner Studie „The Employee Experience Adantage“ heraus, dass sich Employee Experience in vierfach gesteigertem Profit und verdoppeltem Umsatz äußert.
- Employee Experience wirkt sich auch auf die Einschätzung der Kund:innenzufriedenheit ein. Das ergab eine Untersuchung der Umfrageplattform Qualtrics. Demnach glauben 88 Prozent der glücklichen Arbeitnehmer:innen, dass auch die Kund:innen zufrieden sind. Von den weniger glücklichen Mitarbeiter:innen sind hingegen nur 19 Prozent der Auffassung, dass ihre Dienstleistung bei Kund:innen gut ankommt.
- Unternehmen, die ihren Fokus auf Employee Experience gesetzt haben, tauchen laut Forbes 28 Mal häufiger in der Liste der innovativsten Unternehmen auf
- Dem Gallup Engagement Index Deutschland 2021 zufolge sind die 15 Prozent der Mitarbeiter:innen mit hoher emotionalen Bindung physisch gesünder, produktiver und zudem starke Botschafter:innen, die ihren Arbeitgeber weiterempfehlen.
Das Management ist tot, lang lebe das Management
Veränderte Bedingungen erfordern zeitgemäße Ansätze. Sich dem Thema Employee Experience zu verschreiben, heißt auch: sich von der „Das haben wir immer schon so gemacht“-Mentalität zu verabschieden und den Fokus auf Themen zu legen, die nur schwer kalkulierbar sind – beispielsweise Gefühle und Stimmungen der Mitarbeiter:innen. Employee Experience-Experte Jacob Morgan verweist in seinem Buch „The Employee Experience Advantage“ auf drei verschiedene Akteure:
- „Initiiert durch die Geschäftsführung.“ Mitarbeiter:innen-Erfahrung ist Folge einer wohldurchdachten Unternehmensmission und klar definierter Ziele.
- „Eine HR-Angelegenheit.“ Zuständig für die Umsetzung von Employee Experience und die Implementierung von Änderungen ist die Personalabteilung.
- „Getrieben von Manager:innen.“ Unternehmenslenker:innen widmen sich Employee Experience, indem sie ihre Teams fördern und fordern, während sie die Ziele des HR-Teams verwirklichen.
Am Ende muss Employee Experience aber „von allen gewollt sein“, schreibt Morgan. Denn das ganze Unternehmen zahlt auf das Konzept ein, beispielsweise durch regelmäßiges, offenes und direktes Feedback sowie die Einbindung von Mitarbeiter:innen in Entscheidungsprozesse.
Indem Arbeitgeber das Arbeitsumfeld richtig analysieren und es gezielt aufbauen, können sie Einfluss auf die Identifikation der Teams mit ihrem Job nehmen. Ist die Unternehmenskultur grundsätzlich positiv, so kann der Employee Experience-Ansatz hier als Dünger funktionieren. Im Ergebnis: engagierte und loyale Mitarbeiter:innen, gesteigerte Produktivität und nachhaltiges Wachstum.
Engagement entfachen, Produktivität boosten
Eine Arbeitsumgebung ist durch viele miteinander verknüpfte Elemente gekennzeichnet: Jene Faktoren beeinflussen sich wechselseitig und ergeben in Summe ein höchst komplexes Konstrukt. Zur Vereinfachung lassen sich Räume identifizieren. Und so ergibt sich durch 1) das kulturelle Umfeld, 2) technologische Voraussetzungen sowie die 3) physische Umgebung die gesamte Employee Experience. Im Folgenden werden die einzelnen Elemente ausführlicher erläutert.
- Das kulturelle Umfeld: Kultur bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst hervorbringt. Übertragen auf das Arbeitsumfeld kann Kultur verstanden werden als ein Gefühl, das unter anderem abhängig ist vom Führungsstil, Interaktionen und der Wertschätzung zwischen Kolleg:innen. Das kulturelle Umfeld kann insofern optimiert werden, als dass offene Kommunikation und Feedback-Kanäle genutzt werden, um sicherzustellen, dass der Arbeitsplatz positiv und produktiv bleibt.
- Die technologischen Voraussetzungen: Nichts ist frustrierender als die neuesten Ideen mit Hilfe von veralteter Software umzusetzen. Mitarbeiter:innen interagieren Tag für Tag mit verschiedenen Technologien – von Videokonferenzen, digitalen Zeiterfassungssystemen, Mailprogrammen bis hin zu Textverarbeitungsprogrammen. Wer auf Nummer sicher geht, dass das Büro auf dem neuesten technischen Stand bleibt, verringert Frustration innerhalb der Teams, erhöht das Produktionspotenzial und präsentiert das Unternehmen als entsprechend fortschrittlich.
- Die physische Umgebung: Menschen sind sowohl rational als auch emotional. Daher muss ein Büro funktional und ansprechend gestaltet sein, um das Team zu inspirieren. Denn wenn die Mitarbeiter:innen das Gefühl haben, dass sie Dienst in einem sterilen Labor antreten, fühlen sie sich wahrscheinlich nicht motiviert, was sich wiederum auf ihre Stimmung auswirkt. Bürowände in freundlichen Farben, zeitgemäße Architektur sowie Akzente, die das Corporate Design wiedergeben, lassen Kreativität spielend entfalten.
In 5 Schritten zur besseren Employee Experience
Um dem Ziel der engagierten Belegschaft – und damit eines nachhaltig wettbewerbsfähigen Unternehmens – näherzukommen, kann Employee Experience der fehlende Faktor sein. Und so gelingt es:
- Auf der Wunschliste: der:die perfekt passende Mitarbeiter:in. Definieren und verstehen Sie, wer er oder sie ist, fühlt und denkt. Erst danach können Sie planen, wie Sie mit der Person agieren und Beziehungen pflegen möchten.
- Überlegen Sie, was die idealen Mitarbeiter:innen antreibt. Was macht sie wertvoll? Wie gehen sie Herausforderungen an, was sind ihre Leidenschaften? In diesem Sinne können Strukturen geschaffen werden, welche Angestellten begeistern und den Startschuss für ein großartiges Arbeitserlebnis geben.
- Empathie ist gefragt, ebenso wie eine offene Kommunikation und Know-how. Dabei helfen Echtzeit-Feedback von Mitarbeiter:innen, Insights zu deren Stimmung und Möglichkeiten zum Dialog. kununu bietet hierbei den besten Support und bietet Ihnen so die Möglichkeit, Ihre Employee Experience zu optimieren.
- Denken Sie immer einen Schritt voraus! Wenn Sie als Arbeitgeber im Vorfeld nachvollziehen können, welche Komplikationen für Mitarbeiter:innen entstehen könnten, lassen sich diese zielgerichtet verhindern.
- Erstellen Sie ein Arbeitsmodell im Sinne der „Employees“. Überprüfen Sie es im Team auf Praktikabilität, um zu sehen, ob es sich noch weiter verbessern lässt.
Versuch macht klug! Präsentieren Sie Ihre Ideen den Mitarbeiter:innen und hören Sie auf ihr Feedback.
Schritt für Schritt können Sie so eine Employer Experience schaffen, die zu Ihrem Unternehmen passt. Sobald die Umsetzung im Gange ist, können Sie nachjustieren und nachbessern. Employee Experience erfordert Mut. Doch der zahlt sich aus.
Employee Experience: Auf einen Blick
- Die Summe aller Momente, die einen:eine Mitarbeiter:in in seiner:ihrer Zeit im Unternehmen beeinflusst haben – das ist Employee Experience. Hierbei verschmelzen kulturelle, physische und technologische Aspekte miteinander.
- Achtung, Verwechslungsgefahr! Employee Experience ist nicht mit Mitarbeiter:innen-Engagement gleichzusetzen. Jedoch fördert eine positive Employee Experience das Engagement, macht es nachhaltig sowie produktiv und generiert gleichzeitig ein nachweisbares Umsatz- und Gewinnwachstum.
- Employee Experience kann nicht direkt gesteuert werden, sondern muss von Führungskräften initiiert und intelligent gelenkt werden. Das ist nur möglich, wenn jene die richtigen Rahmenbedingungen für ihre Mitarbeiter:innen schaffen.
- Auch wenn sich Employee Experience an Elementen von Customer Experience bedient, geht es darum, Mitarbeiter:innen dazu zu inspirieren, im Unternehmen arbeiten zu wollen.
- Eine hervorragende Employee Experience umfasst alle Aspekte der Zusammenarbeit im Unternehmen und hat ein starkes Team in optimaler Arbeitsumgebung zum Ziel.