„Inside Employer Branding” mit Marcus Merheim

Synergetische Identität: Wie Purpose und New Work die Arbeitgebermarke stärken

In der Artikelserie Inside Employer Branding" wirft Marcus Merheim einen Blick hinter die glänzende Oberfläche des Unternehmensimages und zeigt auf, wie Sie Ihre Arbeitgebermarke entwickeln können, um passende Talente anzuziehen und langfristig zu binden. In der vierten Ausgabe erläutert Merheim, wie New Work und Purpsoe ihr volles Potenzial entfalten, wenn man beide Konzepte als Einheit denkt.

Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. In diesem dynamischen Umfeld gewinnen Employer Branding-Konzepte wie Purpose und New Work zunehmend an Bedeutung. Beide sind eng mit dem Übergang in eine moderne Arbeitswelt verbunden. Und ebenso lassen sich beide auf die Veränderung von Einstellungen und Werten in der heutigen Gesellschaft – und damit auch in der Arbeitswelt – zurückführen.

Die Evolution der Arbeitswelt

Seit der Pandemie rücken New Work-Werte wie Flexibilität und Autonomie sowie der Sinn der Arbeit (= Purpose) verstärkt in den Mittelpunkt der Bedürfnisse von Arbeitnehmenden. Dies bringt Arbeitgeber:innen wiederum dazu, sich den daraus entstehenden Anforderungen zu widmen. Beide Konzepte existierten zwar bereits vor der Pandemie, haben seitdem jedoch eine noch größere Bedeutung entwickelt. So hat das Thema Corporate Social Responsibility bereits seit langer Zeit Einzug in die Arbeitswelt erhalten, und etwa auch Tele-Arbeit existierte bereits stellenweise.

Doch vor allem letztere war meist nur einigen privilegierten Weißkragen vorenthalten. Beides hat sich mit Ausbruch der Pandemie schlagartig verändert. Die vermehrte und auch verstärkte Selbstreflexion hat dazu geführt, dass der Sinn der Arbeit und auch Flexibilität wichtiger wurden. Sie konkurrieren nun mit traditionellen Faktoren wie Jobsicherheit und Gehalt. Die zunächst unfreiwillige, jedoch nicht gänzlich unwillkommene New Work-Flexibilität, stellt Arbeitgeber:innen jetzt aber auch vor ganz neue Herausforderungen. So gilt es, die neuen Anforderungen aus dem coronabedingten Evolutionssprung der Arbeitswelt in die Unternehmenskultur und Arbeitgeberidentität zu integrieren.

Zwar beherrschen gutes Gehalt und Jobsicherheit inzwischen – je nach Ranking – wieder die vorderen Plätze bei Beliebtheitsumfragen, jedoch wird das Vor-Corona-Niveau voraussichtlich auf längere Zeit verschoben bleiben. Kurzum: Es wird schwierig, den Geist wieder zurück in die Flasche zu bekommen. Die „Return-to-Office“-Debatte ist nach wie vor im vollen Gange. Man weiß gefühlt schon gar nicht mehr, ob sie jemals nicht stattgefunden hat. Und in keinem Fall steht ein „Sieger“ fest – es bleibt also spannend.

Synergie durch Purpose und New Work

Statt jedoch das Vergangene zu beklagen, sollten Arbeitgeber:innen die positiven Aspekte beachten. Denn Purpose und New Work bieten bislang wenig beachtete Synergieeffekte. Unternehmen, die Purpose leben und New Work geschickt utilisieren, verfügen über zwei mächtige Hebel, die – frei nach Aristoteles – gemeinsam mehr ergeben als die Summe ihrer Teile. Sie profitieren dadurch möglicherweise von gleich mehreren Vorteilen, die ich nachfolgend etwas detaillierter beleuchten möchte:

  1. Sinnstiftung und Motivation: Ein klar definierter Purpose kann als Leitstern für Mitarbeitende fungieren und gibt ihrer Arbeit eine tiefere Bedeutung. Wenn Mitarbeitende den Zweck ihrer Tätigkeit verstehen und sich damit identifizieren, steigert dies ihre Motivation, das Engagement und die Zufriedenheit. Das ist längst durch Studien belegt und führt zu einer positiven Unternehmenskultur sowie einer klaren Arbeitgeberidentität. Interessant zu diesem Aspekt ist das Whitepaper „Nachhaltige Arbeitsmotivation“ der Hochschule IU aus 2022.
  2. Attraktivität für Top-Talente: Unternehmen, die einen klaren Purpose kommunizieren und New Work-adäquate, flexible Arbeitsmodelle anbieten, ziehen Top-Talente an, die nach mehr als „nur“ einem guten Gehalt suchen. Die Möglichkeit, an sinnstiftenden Projekten zu arbeiten und in einem flexiblen und kollaborativen Umfeld zu arbeiten, macht Unternehmen nachhaltig attraktiv.
  3. Mitarbeiter:innenbindung: Purpose und New Work fördern eine Arbeitsumgebung, die Bindung von Mitarbeiter:innen durch Wertschätzung steigert und die Fluktuation senkt. Mitarbeitende, die sich mit dem Zweck ihrer Arbeit identifizieren und sie frei gestalten können, bleiben dem Unternehmen (i.d.R.) länger treu.
  4. Innovationsförderung: Die New Work-Prinzipien Flexibilität und Autonomie schaffen Raum für Innovation und Kreativität. Auch Flexibilität erlaubt es Mitarbeitenden, ihren Arbeitsalltag nach ihren Bedürfnissen zu gestalten, was sie effektiver und motivierter macht. Zudem führt die Autonomie dazu, dass Entscheidungsprozesse beschleunigt und Innovationen schneller umgesetzt werden können. Dies wiederum stärkt nicht nur den Erfolg des Unternehmens, sondern auch seine Position im Markt gegenüber der Konkurrenz.
     

An diesem Punkt ließen sich sicherlich noch eine Menge weitere Vorteile finden. Aber bereits diese Vorteile verdeutlichen, wie Purpose und New Work Unternehmen befähigen, neuen Anforderungen gerecht zu werden: Sie sind ein Hebel für eine Arbeitgeberidentität, die nicht nur attraktiv für Top-Talente ist. Vielmehr sind sie auch Werkzeuge für eine motivierende und inspirierende Arbeitsumgebung der bestehenden Belegschaft.

Abschließende Betrachtung von Purpose und New Work

Es ist berechtigt zu fragen, ob absolut jedes Unternehmen einen Purpose entwickeln kann oder besser: soll? Und auch, ob New Work mehr Nutzen als Probleme bringt? Neben Vorteilen gibt es wie immer auch Schattenseiten: New Work kann zu mehr Arbeitslast führen, besonders im Home-Office, wo Arbeit und Privatleben schnell verschwimmen. Zudem kann der virtuelle Alltag zu weniger persönlichem Austausch und sozialer Isolation führen, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.

Was den Purpose angeht, kann auch gesagt werden: Was für die eine gut ist, kann für den anderen schlecht sein. Oder auch: Jede:r macht, wonach ihr:ihm der Purpose steht. Hier gibt es je nach Branche etwa ethische und moralische Herausforderungen. Insbesondere, wenn der Purpose eines Unternehmens im Konflikt mit den Werten und Überzeugungen der Mitarbeitenden steht. Beispielsweise ist es fragwürdig, ob etwa Rüstungsunternehmen oder Unternehmen in der Tabakindustrie einen „guten“ Purpose für sich entwickeln können. Und selbstverständlich können sie das. Obwohl sie unter Umständen ethische Fragen hinsichtlich des Produkts und seines Einflusses auf die Gesellschaft aufwerfen. Und auch deswegen, weil ein Job dort für viele Menschen vermutlich nicht das ist, was sie unter Purpose verstehen.

Fazit: Synergieeffekte auf die Arbeitgeberidentität durch Purpose und New Work

Kontinuierliche Anpassung und Entwicklung sind stets entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Purpose und New Work bieten dabei wichtige Hebel für diese Anpassungen. Lassen Unternehmen sich auf die Konzepte ein, können sie mit vielen Vorteilen rechnen. So etwa die Stärkung ihrer Unternehmenskultur sowie Arbeitgeberidentität. Unternehmen müssen bedenken, dass manche Anpassungen nicht für jeden ansprechend sind. Im Umkehrschluss wird es auch Menschen geben, die eher abgeschreckt als angezogen werden. Da es im HR darum geht, den richtigen Arbeitsplatz für die jeweilige Person zu finden, sollte dies aber eher Motivation als Hindernis sein. Sich den neuen Anforderungen zu verschließen, wäre definitiv der falsche Weg.


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Marcus Merheim, Gründer von hooman EMPLOYER MARKETING, Host des ZEIT Talent Podcasts,
Vorsitzender des Ressorts „Arbeitswelt der Zukunft“ beim Bundesverband Digitale Wirtschaft.

Marcus Merheim ist seit mehr als elf Jahren in der HR-Welt unterwegs und setzt sich dabei mit den unterschiedlichsten Personalthemen auseinander. Inhaltlich liegt sein Fokus auf Employer Branding, Recruiting und Retention sowie New Work und Digitalisierung. Als Gründer von hooman EMPLOYER MARKETING agiert er mit seinem Team an der Schnittstelle von HR und Marketing. Neben seiner Funktion als Host des ZEIT Talent Podcasts ist Marcus Merheim Vorsitzender des Ressorts „Arbeitswelt der Zukunft“ beim Bundesverband Digitale Wirtschaft.

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