Fühlen sich Mitarbeiter:innen am Arbeitsplatz wohl, bleiben sie dem Unternehmen länger erhalten. Wie lässt sich eine entsprechende Atmosphäre erschaffen? Wann sollten die ersten Maßnahmen gesetzt werden? Und was ist eigentlich Retention Management?
Es sind immer häufiger Marketingbegriffe, die im Bereich des Personalwesens für die Beschreibung neuartiger Konzepte adaptiert werden. Eines der jüngsten Beispiele: Retention Management. Dahinter versteckt sich nichts andere als das Bemühen um eine möglichst lange Bindung der Belegschaft ans Unternehmen. Initiativen in diese Richtung sind nichts Neues, Betriebe versuchen seit Jahrzehnten, die Mitarbeiter:innenbindung zu steigern und ihre Belegschaft zu halten. Dieser Artikel erklärt, welche Retention Management-Maßnahmen am erfolgversprechendsten sind und liefert einige Best Practice-Beispiele aus der Praxis.
Retention Management: Definition
Bevor die detaillierte Auseinandersetzung mit Maßnahmen und Beispielen beginnen kann, müssen die Grundfragen geklärt werden: Was bedeutet Retention Management?
Zunächst einmal bezeichnet der Fachbegriff eine Disziplin im Personalmanagement. Ihr Ziel ist, durch den Einsatz verschiedenster Maßnahmen und Instrumente die Mitarbeiter:innenbindung an ein Unternehmen zu verbessern und hier für die gewünschte Langfristigkeit zu sorgen. Häufigste Organisationsform sind die sogenannten Mitarbeiter:innenbindungsprogramme. In deren Rahmen gehen die Planung und die Umsetzung der konkreten Maßnahmen über die Bühne. Die Zielgruppe kann dabei entweder die gesamte Belegschaft oder nur ein kleiner, ausgewählter Teilbereich sein – je nachdem, welcher Fokus gelegt wurde.
Konzentration auf Schlüsselkräfte
Retention Management-Maßnahmen können auch gezielt auf einzelne Personen ausgelegt werden. Das ist häufig bei Schlüssel-Position der Fall. Die Abwanderung qualifizierter Arbeitnehmer:innen würde in diesem Fall rasch negative wirtschaftliche Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Genau das soll gutes Retention Management verhindern.
Zum besseren Verständnis des Ansatzes folgt nun ein typisches Beispiel aus der unternehmerischen Praxis.
- In einem Unternehmen gibt es Jobs in der Fertigung und im Büro.
- Während die Büroarbeitskräfte eine sehr hohe Zufriedenheit aufweisen und die Fluktuation in diesem Bereich entsprechend niedrig ist, sieht es in der Fertigung komplett anders aus.
- Eine konstante Abwanderung sorgt dort für Unterbeschäftigung.
Im Sinne eines guten Retention Managements müssen angesichts eines derartigen Szenarios gezielte Maßnahmen zur langfristigeren Bindung der Fertigungsmitarbeiter:innen gesetzt werden. Im Büro-Bereich besteht hingegen kein akuter Handlungsbedarf.
Ein ganzheitliches Verständnis von Retention Management sieht einen starken Zusammenhang zwischen der Mitarbeiter:innenbindung und der Motivation bzw. der Zufriedenheit der Belegschaft. Das hat den Vorteil, dass sich so nicht nur Fluktuationskosten drücken lassen, sondern gleichzeitig die Produktivität der Mitarbeiter:innen gepusht wird.
Übrigens: Auch wenn der Begriff „Retention Management“ neumodisch klingt, sind seine Wurzeln überraschend alt. Retention stammt nämlich vom lateinischen Begriff „retinere“ ab, was wiederum so viel wie zurückbehalten oder zurückhalten bedeutet. Was heißt also Retention Management auf Deutsch? Konkret geht es darum, Menschen davor zurückzuhalten, ein Unternehmen zu verlassen.
Ziele im Retention Management
Das Ziel aller Retention Management-Maßnahmen ist klar: Es geht darum, Mitarbeiter:innen ein möglichst positives Umfeld zu bieten, um ihre Zufriedenheit zu steigern und dadurch die Bindung ans Unternehmen zu stärken. Der Ansatz sorgt für viele weitere positive Entwicklungen:
- Steigerung der Motivation am Arbeitsplatz
- Erhöhung der Produktivität der Belegschaft
- Reduktion der Fluktuationsrate und der mit ihr verbundenen Kosten
- Nachhaltiger Wissensaufbau im Unternehmen
- Reduktion der Recruiting-Kosten durch einen gesenkten Bedarf
- Vermeidung der Abwanderung von Schlüssel-Positionen
Im Grunde steht die Schaffung einer Arbeitsumgebung im Zentrum aller Bemühungen, welche die Wahrscheinlichkeit eines Unternehmensaustritts der Mitarbeiter:innen auf ein Minimum reduziert.
Welche Retention Management-Maßnahmen sind wichtig?
Das Feld der Retention Managements ist ein breites, die Aufgabenbereiche sind vielfältig. Das Zusammenspiel mit anderen Funktionen im Human Ressource Management ist sehr eng.
Das beginnt etwa beim Employer Branding, welches ein authentisches Arbeitgeber:innen-Bild zeichnet, um den Cultural Fit zu erhöhen und dadurch die Zufriedenheit zu steigern. Die Aufgabengebiete lassen sich auf konkrete Maßnahmen in diversen Feldern übertragen. Die folgenden Punkte zählen zu den zentralsten im Retention Management:
- Employer Branding: Erschafft über verschiedene Maßnahmen eine realitätskonforme und authentische Arbeitgeber:innenmarke. Interessent:innen sollen so noch weit vor dem potenziellen ersten Arbeitstag erfahren, was es heißt, für das Unternehmen zu arbeiten. So werden die Risiken für böse Überraschungen und Frühfluktuation stark reduziert.
- Personalentwicklung: Unternehmen profitieren stark davon, ihren Mitarbeiter:innen persönliche und fachliche Weiterbildung zu ermöglichen. Wird jemand perfekt für eine bestimmte Rolle im Betrieb ausgebildet, ist die Wahrscheinlichkeit für einen längeren Verbleib sehr hoch.
- Personalführung: Wie stark der Einfluss von Führungspersönlichkeiten auf die Mitarbeiterzufriedenheit ist, zeigt ein altes Sprichwort: Menschen verlassen keine Unternehmen, sie verlassen ihre Vorgesetzten. Die Verankerung einer guten Führungskultur im Unternehmen ist deshalb besonders wichtig. Ebenso wichtig, wie eine schnelle Reaktion, falls gewisse Führungskräfte zur Unzufriedenheit beitragen.
- Unternehmenskultur: Stimmt die Kultur, stimmt auch die Leistung. Die Unternehmenskultur muss sich mit den Wertvorstellungen der Belegschaft decken. Die Investition in unterschiedlichste Maßnahmen zum Aufbau einer entsprechenden Kultur hat positive Auswirkungen auf das Retention Management.
- Mitarbeiter:innenvorteile: Benefits zählen zu den klassischsten Ansätzen in der Mitarbeiter:innenbindung. Flexible Arbeitszeiten, Möglichkeit auf Home-Office, Vier-Tage-Woche, monatliche Afterwork-Feierlichkeiten. All das steigert die Zufriedenheit der Belegschaft deutlich.
Retention Personalmanagement: So sehen gelungene Maßnahmen in der Praxis aus
Im Verlauf dieses Artikels wurden bereits einige Ansätze zum Thema Retention Management beschrieben, in diesem Abschnitt wird die Information noch ein wenig konkreter. Es folgen Beispiele einer erfolgreichen Mitarbeiter:innenbindung.
Entwicklung der Führungskräfte
Zu den zentralen Maßnahmen des Retention Managements zählt die gezielte Führungskräfteentwicklung. Sie soll für eine Steigerung der Qualität in der Personalführung sorgen. Dadurch steigt indirekt wiederum die Mitarbeiter:innenzufriedenheit. In diesem Feld existieren verschiedene moderne Führungsstile, die besonders bei der jungen Generation Anklang finden.
Monetäre und nicht-monetäre Anreize
Am Ende des Tages ist und bleibt das Gehalt ein wesentlicher Faktor in der Mitarbeiter:innenbindung. Allerdings zeigen diverse Studien, dass Geld vorrangig für eine kurzfristige Steigerung der Identifikation und der Motivation sorgt. Langfristige Effekte entstehen durch andere Anreize.
Ein marktübliches Gehalt stellt aber auf jeden Fall eine der wichtigsten Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Retention Management dar. Ohne einer vernünftigen Bezahlung, werden Unternehmen große Probleme bekommen, Mitarbeiter:innen langfristig zu binden. Neben Geld existieren noch weitere – nicht-monetäre – Anreize, auch bekannt als „Benefits“. Dazu zählen:
- Zuschuss zum Fitnessstudio
- Öffi-Ticket
- Regelmäßige Feierlichkeiten im Unternehmen
Ein stimmiges Gesamtangebot in diesem Bereich ist eine weitere Grundvoraussetzung für den langfristigen Verbleib von Mitarbeiter:innen im Betrieb.
Unternehmenskultur und proaktive Kommunikation
Retention Management zur Mitarbeiter:innenbindung beginnt nicht erst mit dem Eintritt ins Unternehmen, sondern bereits weit vorher. Konkret geht es um die Sicherstellung eines hohen Cultural Fits – also wie gut passen potenzielle neue Kolleg:innen zum Unternehmen? Und wie gut passt das Unternehmen zu ihnen?
Die kulturelle Passung zwischen den beiden Parteien muss möglichst hoch sein. Um die zu erreichen, müssen zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein.
- Zunächst sollte überhaupt einmal eine gelebte Unternehmenskultur vorlegen.
- Und dann muss diese nach außen auch authentisch kommuniziert werden – Stichwort: Employer Branding.
Im Grunde geht es dabei um transparentes Erwartungsmanagement. Interessent:innen müssen bereits im Rahmen der Bewerbung ganz klar abschätzen können, was sie in Hinblick auf die Unternehmenskultur erwartet. Aus Arbeitgeber:innensicht ist es empfehlenswert, die kulturelle Passung als Faktor in den Recruitingprozess aufzunehmen. Weiterführende Infos dazu gibt es im Glossar-Eintrag zum Thema „Cultural Fit“.
Der positive Effekt der Recruiting-Anpassung: Unternehmen stellen vorrangig jene Menschen ein, die ein kompatibles Verständnis von Arbeit haben und dieselben Werte vertreten. Das steigert wiederum die Zufriedenheit, was die Wahrscheinlichkeit eines langfristigen Verbleibs erhöht.
Flexibilität für Mitarbeiter:innen
Retention Management und Mitarbeiter:innenbindung bedeuten in Zeiten des Fachkräftemangels auch, sich stärker an den Bedürfnissen der Belegschaft zu orientieren. Besonders, was die Arbeitsgestaltung betrifft. Hier spielen diverse Maßnahmen eine Rolle, zum Beispiel auch die Möglichkeit, sich als Arbeitnehmer:in intern in Richtung einer anderen Position zu entwickeln. Besonders im Fokus steht dabei die Flexibilität – darunter fallen Dinge wie:
- 4-Tage-Woche
- Führung in Teilzeit
- Wahlmöglichkeit im Schichtdienst
Unternehmen verfügen in dieser Hinsicht über eine breite Palette an Möglichkeiten und können so ihren Mitarbeiter:innen jene Optionen bieten, die am besten zu deren aktuellen Lebenssituationen passen. Haben sich die Umstände auf eine Weise geändert, die eine weitere Vollzeitanstellung verunmöglicht, stellt das dann eben keinen Grund für einen Unternehmensaustritt mehr dar. Der Flexibilität sei Dank.
Förderprogramme, Traineeships, Nachwuchsführungskräfte-Programm
Wie erwähnt, setzt strategisches Retention Management bereits sehr früh an. Neben der Etablierung eines guten Cultural Fits spielt das Angebot für Neuzugänge – insbesondre für High-Potentials – eine tragende Rolle. Hier braucht es spezielle Förderprogramme und Traineeships für eine bessere Entwicklung und eine engere Bindung. Ein derartiges Programm bietet zwei Vorteile:
- Junge Talente erhalten eine auf die Anforderungen des Unternehmens passende Zusatzausbildung.
- Die künftigen Führungskräfte werden potenziell langfristig gebunden.
Erfolgreiche Mitarbeiter:innen-Retention beginnt beim Onboarding
Ein optimaler Einstieg bildet die Grundlage für eine lange und für beide Seiten fruchtbare Zusammenarbeit. Das Onboarding – sowohl in fachlicher als auch in kultureller Hinsicht – ist hier eine der wesentlichen Maßnahmen.
Ein strukturierter Plan schafft die nötigen Rahmenbedingungen dafür, dass neue Mitarbeiter:innen perfekt in ihre Rolle starten können. Klar definierte Ansprechpersonen erleichtern die Frühphase.
Retention Management: So sollte der Ablauf aussehen
Einen konkreten Anlassfall braucht es nicht, um mit Retention Management zu beginnen. Von der Schaffung positiver Arbeitsbedingungen profitiert die aktuelle Belegschaft genauso. Wer erstmals ein strukturiertes Mitarbeiter:innenbindungsprogramm betreiben möchte, der findet in diesem Abschnitt praktische Tipps für die Umsetzung.
1. Identifikation der größten Schmerzpunkte
Retention Management hängt eng mit der Fluktuation im Unternehmen zusammen. Deshalb ist es ratsam, genau diese Fluktuation umfassend zu erheben. Ideal ist dabei eine möglichst kleinteilige Vorgehensweise. Folgende Fragen sollten zum Beispiel beantwortet werden:
- Wie lange bleiben Mitarbeiter:innen durchschnittlich im Unternehmen?
- Wie viele Menschen verlassen das Unternehmen bereits innerhalb der ersten sechs Monate?
- Gibt es bestimmte Bereiche, in denen eine überdurchschnittlich hohe Fluktuation auftritt?
- Wurden die Gründe für den Austritt erhoben? Wenn ja: Welche gibt es?
- Wie lange sind die meisten Mitarbeiter:innen im Unternehmen, bevor sie es verlassen?
- Sind Auffälligkeiten oder Zusammenhänge erkennbar?
Eine Identifizierung von Bereichen mit besonders hohem Austrittsrisiko ist essenziell. Dabei handelt es sich einerseits um produktive Abteilungen – in denen allen Mitarbeiter:innen ein gewisser geldwerter Output zugerechnet werden kann. Andererseits sollten jene Schlüsselpositionen im Unternehmen benannt werden, bei denen ein Abgang nur sehr schwer zeitnah zu kompensieren wäre. Typische Beispiele dafür sind gewisse Management-Positionen oder besonders spezialisierte Fachkräfte, die einen hohen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit haben.
2. Ermittlung der wichtigsten Hebel fürs Retention Management
Den Startpunkt stellt die Ermittlung möglicher Unzufriedenheitsfaktoren dar. Eine anonyme Mitarbeiter:innenbefragung kann die entsprechenden Informationen darüber liefern, an welchen Stellschrauben gedreht werden sollte. Es geht dabei auch darum, auszuloten, wo grundsätzlich die Möglichkeit für Änderungen besteht:
- Ist zum Beispiel die 4-Tage-Woche in bestimmten Bereichen ein Thema?
- Wie steht es um die Bereitschaft für eine größere Lohnrunde?
Ein Blick auf Arbeitgeber:innebewertungsportale wie kununu kann sich in diesem Zusammenhang ebenfalls lohnen. Hier finden Führungskräfte authentisches Feedback der Belegschaft. Das mag nicht immer angenehm zu lesen sein, zeigt aber oft ganz klar das Verbesserungspotenzial auf und ermöglicht erst eine Optimierung der Mitarbeiter:innenbindung.
3. Maßnahmenplanung und -umsetzung
Auf Basis der gesammelten Informationen werden im letzten Schritt konkrete Maßnahmen erarbeitet. Wie lässt sich das Retention Management in Zukunft gezielt verbessern? Die Definition klarer Fokusbereiche, die von der Benennung von Engpässen und Schlüsselposition ausgeht, ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig.
Wir haben es dabei mit einem laufenden Prozess zu tun. Führungskräfte sollten nämlich ständig überprüfen, ob die gesetzten Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielen. Ist dies nicht der Fall, muss nachgeschärft werden.
Positive Veränderungen sollten übrigens unbedingt immer nach außen kommuniziert werden – zum Beispiel über das Employer Branding-Profil auf kununu. Unternehmen haben dort die Möglichkeit, authentisch aufzuzeigen, welche Maßnahmen sie für die Schaffung eines attraktiven Umfeldes setzen.
Damit schließt sich am Ende der Kreis. Maßnahmen zur Mitarbeiter:innenbindung wurden gesetzt und gleichzeitig nach außen kommuniziert. Interesent:innen erfahren so frühzeitig, was sie von einem Unternehmen erwarten können. Dadurch verbessert sich die Personalauswahl, was wiederum eine engere Bindung schafft.
Fazit: Mit gutem Retention Management zu besserer Mitarbeiter:innenbindung
Beim Ansatz des Retention Managements handelt es sich um eine zielgerichtete Methode zur Erhöhung der Mitarbeiter:innenbindung. Damit gehen positive wirtschaftliche Effekte einher, wie etwa die Reduktion der Fluktuations- und Recruiting-Kosten. Um das zu erreichen, steht eine breite Palette an Maßnahmen zur Verfügung. Oft weisen diese einen direkten Zusammenhang mit weiteren Bereichen des Personalwesens auf – wie zum Beispiel dem Employer Branding, der Unterenehmenskultur oder der Personalentwicklung. Im Grunde gilt im Retention Management vor allem eine Sache: Man muss gut hinhören! Was wünscht sich die Belegschaft? Was sind die wesentlichen Unzufriedenheitsfaktoren? Und warum fühlen sich Mitarbeiter:innen im Betrieb besonders wohl?