Noch immer gibt es in Deutschland einen großen Unterschied zwischen dem, was Frauen verdienen und dem, was ihre männlichen Kollegen an Gehalt einstreichen. Doch wie hoch ist der Gender-Pay-Gap aktuell in Deutschland wirklich und wie entwickelt er sich über die vergangenen Jahre? Exklusive kununu Daten geben darauf eine Antwort.
Seit Jahren kämpfen vor allem Frauen dafür, dass sie bei gleicher Qualifikation gleich viel wie ihre männlichen Kollegen verdienen. Die Diskrepanz zwischen den gezahlten Löhnen ist ein berechtigtes Dauerthema, der Gender-Pay-Gap ist in vielen Berufen sehr hoch. kununu trägt mit der Möglichkeit, anonym Gehaltsangaben auf der Plattform zu teilen, zur Transparenz und damit einer validen Datengrundlage bei.
Open Salaries: Mehr Gehaltstransparenz tut gut
Das Thema Gehaltstransparenz polarisiert nicht nur die Gesellschaft, in erster Linie ist es vor allem für Arbeitgeber:innen von entscheidender Bedeutung. Denn: Es ist statistisch erwiesen, dass mehr Transparenz bei Gehältern positive Auswirkungen hat. Die Kultur der „Open Salaries“ und der offene Umgang mit diesem Thema kommt gerade bei jungen Arbeitnehmer:innen gut an.
Dass in Sachen Lohngerechtigkeit noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten gibt, zeigt ein Blick auf die Daten von kununu. Demnach kennen 64 Prozent der Deutschen und damit eine Zwei-Drittel-Mehrheit diesen Begriff gar nicht erst. Doch wie definiert sich der Gender-Pay-Gap überhaupt? Und wie viel verdient ein Mann mehr als eine Frau?
Definition: Was bedeutet Gender-Pay-Gap?
Der Gender-Pay-Gap beschreibt den Unterschied zwischen dem Gehalt eines Mannes und einer Frau bei gleicher Beschäftigung und gleicher Qualifikation. Das Statistische Bundesamt bezeichnet diese Lücke vereinfacht als „geschlechtsspezifischen Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern“.
Wichtig ist es, die Unterscheidung zwischen bereinigt und unbereinigt zu kennen.
Was ist ein unbereinigter Gender-Pay-Gap?
Grundlage des unbereinigten Gender-Pay-Gaps bilden die absoluten Bruttoverdienste beider Geschlechter. Die Berechnung erfolgt über folgende Formel:
Durchschnittlicher Bruttoverdienst (Männer) – durchschnittlicher Bruttoverdienst (Frauen) / durchschnittlicher Bruttoverdienst (Männer) * 100
Basis für die Berechnung sind Arbeitsstunden.
Was ist ein bereinigter Gender-Pay-Gap?
Der bereinigte Gender-Pay-Gap hingegen berücksichtigt strukturelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf ihren Beruf, den Umfang der Beschäftigung, die Erfahrung oder den geringeren Frauenanteil in Führungspositionen.
Diese aussagekräftigere Zahl wird seit 2006 regelmäßig vom Bund in Deutschland berechnet. Im Jahr 2023 lag die bereinigte Lücke bei sechs Prozent, der unbereinigte Gender-Pay-Gap bei 18 Prozent.
Wie hoch ist der Gender-Pay-Gap in Deutschland?
Die Zahlen von kununu liefern einen aktuelleren und detaillierteren Einblick. Demnach liegt der aktuelle (2023) Gender-Pay-Gap in Deutschland bei 17 Prozent.
Die Lücke ist also immer noch groß. Aber: Es zeichnet sich zumindest leicht positiver Trend an, wie der Blick auf die vergangenen Jahre verrät:
- 2020: 19 Prozent
- 2021: 18 Prozent
- 2022: 18 Prozent
Haben Frauen 2020 noch im Schnitt 9.744 Euro pro Jahr weniger eingestrichen, sind es heute mit 8.875 Euro bereits fast 1.000 Euro mehr. In kleinen und mittleren Unternehmen ist das Thema der Gehaltsungleichheit ebenfalls existent, allerdings weniger eklatant. Im Mittelstand liegt der Gender-Pay-Gap bei 16 Prozent – und damit unter dem in Großunternehmen.
Es gibt aber auch große Konzerne, die mit gutem Beispiel vorangehen und so möglicherweise Vorbilder für ganze Branchen sind. Dazu zählen BMW und PUMA, die ihre Gehaltsstrukturen angeglichen haben respektive Schritt für Schritt angleichen.
Dietmar Knoess, Global Director People & Organization beim Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach, sagt dazu im kununu ZukunftsPanorama: „Eine faire Vergütung frei von Diskriminierung bei PUMA sicherzustellen, ist eine unserer strategischen Prioritäten. Um die Bezahlung für alle gleichwertig zu gestalten, hat PUMA eine Stellenbewertung vorgenommen, die sich geschlechtsneutral ausschließlich auf die Merkmale der Funktion bezieht und nicht auf die individuelle Person.“
Die Maßnahme sei kaut Knoess zeitgemäß, weil sich spätestens mit der viel zitierten Gen Z auch die Anforderungen an attraktive Unternehmen geändert hätten. „Diese Strategie bietet auch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bei der Anwerbung und Bindung von neuen Mitarbeiter:innen, da insbesondere die junge Generation noch mehr Wert auf Transparenz, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung legt.“
Gender-Pay-Gap: In welchen Berufen verdient die Frau weniger als der Mann?
PUMA ist ein Positivbeispiel. Es gibt allerdings sehr viele Unternehmen und Berufsgruppen, in denen Frauen teilweise sogar stark benachteiligt werden. Dazu zählen laut kununu Daten vor allem Jobs aus dem Vertrieb und Projektmanagement.
Wo ist der Gender-Pay-Gap am höchsten?
Die größte Lohnlücke in den Top 10-Berufen auf kununu gibt es bei Vertriebsmitarbeiter:innen. Weibliche Angestellte im Vertrieb verdienen durchschnittlich 22 Prozent weniger als ihre männlichen Pendants.
In welchen Berufen ist der Gender-Pay-Gap am größten?
Neben dem Vertrieb liegt der Gender-Pay-Gap auch im Projektmanagement mit 18 Prozent über dem Gesamtdurchschnitt von 17 Prozent. Weitere Top 10-Berufe mit einer hohen Gehaltslücke:
- Produktmanager:in: 16 Prozent
- Controller:in: 14 Prozent
- Ingenieur:in: 13 Prozent
Bei weiteren beliebten Berufen ist der Gender-Pay-Gap hingegen niedriger. Bei Erzieher:innen liegt er beispielsweise nur bei zwei, bei Softwareentwickler:innen bei vier und bei Krankenpfleger:innen bei sechs Prozent. Aber: Auch hier gibt es eben noch eine Lücke.
Gender-Pay-Gap: In diesen Branchen ist die Lücke am größten
Die Differenzierung nach Berufsgruppen ist sehr beliebt, doch auch die Unterscheidung nach Branche bietet spannende Einblicke. Die größten Lücken auf der Gehaltsabrechnung zwischen Mann und Frau klaffen in der Telekommunikations- und Finanzbranche – der Gender-Pay-Gap liegt hier bei jeweils 23 Prozent.
Weitere Branchen, in denen weibliche Mitarbeiter:innen deutlich weniger als männliche verdienen:
- Versicherung: 21 Prozent
- Medizin / Pharma: 19 Prozent
- Beratung / Consulting: 19 Prozent
- Textil: 18 Prozent
Auch hier gibt es Positivbeispiele. Vor allem in der öffentlichen Verwaltung (acht Prozent) und der Branche Logistik / Verkehr / Logistik (sechs Prozent) gibt es weniger große Lücken.
Bundesländer: Wo ist der Gender-Pay-Gap am höchsten?
Das größte Gefälle zeigt sich jedoch weder in den einzelnen Berufen noch in der Differenzierung nach Branchen – sondern beim Blick auf regionale Unterschiede. Sophie Moser und Florian Kunze von der Universität Konstanz haben diese in ihrer Arbeit mit dem Titel „Parität, Transparenz, Familienfreundlichkeit – Wie sich der Gender Pay Gap in Deutschland reduzieren ließe“ untersucht.
Die Ergebnisse zeigen, dass im Osten Deutschlands am wenigsten Ungleichheit herrscht. In Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern liegt die Gehaltslücke bei zwölf, in Brandenburg und Sachsen-Anhalt bei 13 Prozent.
Die größte Diskrepanz zeigt sich im Süden. Das Saarland (22 Prozent), Bayern (21 Prozent) und Baden-Württemberg (20 Prozent) bilden die Schlusslichter im Bundesländer-Ranking.
Warum ist der Gender-Pay-Gap in Ostdeutschland niedriger?
Dieses Phänomen lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen, die die Dynamik des Arbeitsmarktes in dieser Region prägen. Ein bedeutender Aspekt ist die Prävalenz von Vollzeitbeschäftigung, die im Osten eine weitreichendere Rolle spielt. Hier ist das traditionelle Familienmodell, in dem beide Partner Vollzeit arbeiten, deutlich ausgeprägter. Eine entscheidende Triebkraft hierfür ist die umfassende Verfügbarkeit von Kinderbetreuungseinrichtungen, die nach wie vor eine entscheidende Rolle für viele Familien im Osten spielen.
Ein weiterer Faktor, der zur häufigen Vollzeitbeschäftigung beiträgt, ist das vergleichsweise niedrigere Lohnniveau. Dies führt dazu, dass beide Partner oft Vollzeit arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese ökonomische Realität schafft eine Gleichberechtigung im Arbeitsleben, die sich in einem geringeren Gender-Pay-Gap niederschlägt.
Zudem verdienen verdienen Männer im Osten im Vergleich zu den Arbeitnehmer:innen im Westen tendenziell weniger, da hochbezahlte Industriejobs weniger verbreitet sind. Dies führt dazu, dass die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern nicht so stark auseinanderklafft wie in den alten Bunderländern, da die ostdeutschen Männer im Durchschnitt niedrigere Einkommen erzielen, während im Westen hochbezahlte Positionen häufiger anzutreffen sind.
Wann wird sich der Gender-Pay-Gap schließen?
Die Bundesregierung hat einen ehrgeizigen Zeitplan: Bis zum Jahr 2030 soll der Gender-Pay-Gap in Deutschland Geschichte sein! Dies beinhaltet die Förderung von transparenten Gehaltsstrukturen, die Implementierung von Richtlinien zur Gleichstellung am Arbeitsplatz sowie die Unterstützung von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Unternehmen müssen dazu ermutigt werden, aktiv gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung vorzugehen und fairere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Es ist ein partnerschaftlicher Ansatz erforderlich, bei dem Regierung und Unternehmen gemeinsam daran arbeiten, den Gender-Pay-Gap weiter schrumpfen zu lassen.
Wie sich die geschlechterspezifschen Einkommensunterschiede im Laufe der Zeit entwickeln sowie weitere Einblicke in die Lohnlücke haben wir auf unserer neuen Datenseite zum Gender-Pay-Gap aufbereitet.